Die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie verändert nicht nur unseren Alltag, sie legt weltweit größere Teile des wirtschaftlichen Lebens lahm. Davon ist insbesondere auch die Baubranche betroffen. Infolge diverser Verordnungen und Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, Arbeitskräftemangel aufgrund der innereuropäischen Grenzschließungen sowie zu beachtender Sorgfaltspflichten gegenüber Arbeitnehmern sind Bauträger oftmals dazu gezwungen, die Bautätigkeit zu reduzieren oder vorerst sogar vollständig einzustellen.
Vor diesem Hintergrund mag sich die Frage stellen, welche Auswirkungen diese Umstände auf bestehende Bauträgerverträge haben und welche wechselseitigen Rechte und Pflichten hierbei die Vertragsparteien treffen?
Lieferengpässe, der Ausfall von Arbeitskräften und behördliche Anordnungen können zur Einstellung oder zumindest einer Verlangsamung der Bautätigkeit führen. Dies kann zur Folge haben, dass die vertraglich vereinbarten Übergabe- bzw. Fertigstellungstermine nicht eingehalten werden. Soweit nichts Abweichendes in dem jeweiligen Vertrag vereinbart wurde, trägt der Bauträger grundsätzlich das Risiko der Nichterfüllung des Vertrages.
Soweit die Nichterfüllung des Vertrages auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bauträgers beruht, kann der Erwerber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein Zurückbehaltungsrecht oder Rücktrittsrecht und/oder Schadensersatzansprüche (z. B. im Falle einer vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe) gegen den Bauträger geltend machen.
Ist der Bauträger mit seiner Leistung in Verzug und kann er sich entlasten?
Der Bauträger kommt in Verzug, soweit die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er zu vertreten hat. Fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung, weil der Bauträger die coronabedingten Behinderungen nicht zu vertreten hat und sich somit nicht in Verzug befindet, scheiden Ansprüche auf Ersatz des Verzögerungsschadens aus.
Erfolgt der Ausfall der Arbeitskräfte oder die Schließung der Baustelle aufgrund einer behördlichen Anordnung, so könnte sich der Bauträger unter Verweis auf die Anordnung entlasten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass den Bauträger als Arbeitgeber eigene Sorgfaltspflichten treffen und er daher erforderlichenfalls zum Schutz seiner Arbeitnehmer auch zu einer Betriebsschließung gehalten sein kann.
Soweit die Bauverzögerungen auf „höherer Gewalt“ beruhen, hat der Bauträger die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Unter höherer Gewalt versteht man ein unvorhersehbares, unvermeidbares und von außen einwirkendes Ereignis. Mit der Einordnung der Corona als Pandemie und der Ausrufung der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO dürfte Corona-Pandemie als höhere Gewalt angesehen werden. Eine generelle Berufung auf höhere Gewalt ist von der Rechtsprechung jedoch bisher nicht anerkannt worden.
Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob in den bestehenden Bauträgerverträgen bereits Klauseln hinsichtlich höherer Gewalt enthalten sind und ob die Nichtleistung gerade auf höherer Gewalt beruht. Ist dies der Fall, so sind etwaige Rechte bzw. Schadensersatzansprüche des Erwerbers gegen den Bauträger ausgeschlossen. Allerdings ist die COVID-19-Pandemie für Verträge, welche hiernach oder bereits kurz zuvor geschlossen wurden, wohl nicht mehr als „unvorhersehbar“ einzustufen.
Im Falle einer unverschuldeten Bauverzögerung kann der Bauträger zudem eine Fristverlängerung verlangen. Allerdings steht ihm meist kein Anspruch auf Mehrvergütung oder Entschädigung zu.
Des Weiteren wird der Bauträger beim Eintritt höherer Gewalt grundsätzlich temporär von seinen vertraglichen Leistungspflichten frei, ohne dass der Erwerber deswegen Ansprüche herleiten könnte. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Leistungserbringung für den Bauträger unmöglich und unzumutbar geworden ist (§ 275 BGB).
Kann der Vertrag infolge der Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden?
Darüber hinaus kommt eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB in Betracht. Dies setzt voraus, dass sich Umstände, die Vertragsgrundlage geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend ändern und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten und ein Festhalten am unveränderten Vertrag der betroffenen Partei nicht zumutbar ist.
Eine Störung der Geschäftsgrundlage wird in der Regel bei behördlicher Untersagung der Vertragsdurchführung bejaht, wenn die anlassgebenden Sicherheitsrisiken beide Parteien gleichermaßen betrafen und billigerweise nicht eine Partei allein mit den Folgen zu belasten war. Anerkannt ist zudem die drohende Existenzvernichtung durch äußere, nicht der eigenen Risikosphäre zuzurechnende Umstände. Auch bei einer Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage ist mithin stets die im betroffenen Vertrag festgelegte Risikoverteilung zu berücksichtigen.
In jedem Fall sollten die Vertragsparteien versuchen, eine einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Verlängerung der Ausführungsfristen bzw. der Fertigstellungsfrist zu erzielen, um den Leistungserfolg letztendlich herbeizuführen. Dies kann beispielsweise durch die gesonderte Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder eines pauschalierten Schadensersatzes erreicht werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine vertragliche Vereinbarung über einen Haftungsausschluss und eine Verlängerung der Ausführungsfristen wegen höherer Gewalt oder sonstiger nicht vorhersehbarer außergewöhnlicher Ereignisse sowohl für den bestehenden als auch für die künftig abzuschließenden Bauträgerverträge empfehlenswert ist. Die Aufnahme solcher Klauseln bedarf stets einer sorgfältigen Prüfung, insbesondere hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirksamkeit.
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