(BGH-Urteile vom 04.07.2017 - XI ZR 562/15, XI ZR 233/16)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 04.07.2017 entschieden, dass die von den beklagten Banken vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) über ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt („Bearbeitungsgebühr“) in Darlehensverträgen, die zwischen Kreditinstituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.
I. Wesentlicher Sachverhalt der Urteile
In beiden Gerichtsverfahren waren die Darlehensnehmer (Immobilien-Projektentwickler u. Immobilien-Investor) als Unternehmer im Sinne des § 14 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzusehen. Die mit den jeweiligen Banken geschlossenen Darlehensverträge enthielten allesamt Formularklauseln, wonach der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges "Bearbeitungsentgelt" beziehungsweise eine "Bearbeitungsgebühr" zu entrichten hatte.
Beide Darlehensnehmer hatten die Banken auf Rückzahlung dieses Entgelts verklagt, weil sie die Klauseln für unwirksam hielten. Während die Klage im Verfahren XI ZR 562/15 in den Vorinstanzen (OLG Celle/LG Hannover) erfolgreich war, wurde die Klage in dem Verfahren XI ZR 233/16 von den Vorinstanzen (LG Hamburg/OLG Hamburg) abgewiesen.
II. Wesentliche Entscheidungsgründe
Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch nicht vor. Aus der Pressemitteilung des BGH vom 04.07.2017 lassen sich jedoch die tragenden Gründe entnehmen.
Nach Ansicht des BGH stellen die angegriffenen Klauseln sog. Preisnebenabreden dar, die einer Inhaltskontrolle nicht standhalten. Die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte sei mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen sei.
Auch bei den betreffenden Unternehmerdarlehensverträgen gebe es keine Gründe, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen würden. Insbesondere könne die Angemessenheit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht mit eventuell hieraus resultierenden steuerlichen Vorteilen auf der Seite eines unternehmerischen Kreditnehmers begründet werden.
Die streitigen Klauseln hielten auch bei angemessener Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche der Inhaltskontrolle nicht stand.
Die Angemessenheit der Klauseln lasse sich ferner nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen. Dass ein Unternehmer möglicherweise eine sich aus verschiedenen Entgeltkomponenten ergebende Gesamtbelastung besser abschätzen könne, spreche nicht entscheidend für die Angemessenheit der Klausel bei Verwendung gegenüber Unternehmern. Denn die erforderliche Inhaltskontrolle solle allgemein vor Klauseln schützen, bei denen das auf einen gegenseitigen Interessenausgleich gerichtete dispositive Gesetzesrecht durch einseitige Gestaltungsmacht des Klauselverwenders außer Kraft gesetzt werde. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Kreditinstitute gegenüber Unternehmern keine solche einseitige Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen könnten.
Im Hinblick auf die in beiden Verfahren erhobene Einrede der Verjährung verwies der BGH auf die Grundsätze, die er bei seiner Rechtsprechung zu Verbraucherdarlehen im Jahre 2014 aufgestellt hatte und erklärte diese auch für Unternehmerkredite für anwendbar. Auch Unternehmern sei mit Ablauf des Jahres 2011 die Erhebung einer auf die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten gerichteten Klage zumutbar gewesen.
III. Hintergrund der neuen Rechtsprechung
Der BGH hat mit den vorliegenden Entscheidungen seine Rechtsprechung aus dem Jahre 2014 zur Unwirksamkeit von bankseitigen Bearbeitungsentgelten in AGB von Darlehensverträgen mit Verbrauchern auf Darlehensverträge mit gewerblichen Darlehensnehmern ausgeweitet. Seinerzeit hatte das Gericht entschieden, dass die Abwälzung von Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden, zu denen der Verwender der Klausel (ergo: die Bank) gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet sei oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringe, mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar sei. Ein Anspruch hierauf bestehe nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen sei. Dies sei bei einem Darlehensvertrag jedoch nicht der Fall. Nach dem gesetzlichen Leitbild müsse die Bank anfallende Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitabhängig bemessenen Zins decken. Daneben könne sie aber kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen.
IV. Rechtliche Konsequenzen für betroffene Darlehensnehmer
Neben der Unzulässigkeit/Unwirksamkeit von künftigen Bearbeitungsentgelten in vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Bankdarlehen an Unternehmer können betroffene Darlehensnehmer bereits gezahlte Bearbeitungsentgelte von der Bank zurückfordern, sofern die Rückzahlungsansprüche noch nicht verjährt sind.
1. Welche Darlehensnehmer sind von der BGH-Rechtsprechung betroffen?
Die neue BGH-Rechtsprechung betrifft sog. Unternehmer. Dies sind natürliche Personen (z.B. Einzelunternehmer, Angehörige der freien Berufe, Künstler, Wissenschaftler u. Landwirte), juristische Personen (z.B. GmbH, AG u. eG) oder rechtsfähige Personengesellschaften (z.B. oHG, KG u. Außen-GbR), die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts (hier: Darlehensvertrag) in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt haben.
2. Welche Arten von Bearbeitungsentgelten fallen unter die BGH-Rechtsprechung?
Die Entscheidungen des BGH betreffen sämtliche Gebühren, die für Tätigkeiten erhoben werden, zu denen die darlehensgebende Bank gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die sie überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Betroffen sind daher insbesondere folgende Bankentgelte:
- Gebühren für die Bearbeitung des Darlehens / des Darlehensantrages (Erstellung des sog. Term-Sheets) und
- Kosten für die Erstellung des Wertermittlungsgutachtens
3. Welche Bearbeitungsentgelte können heute noch von der darlehensgebenden Bank zurückgefordert werden bzw. welche etwaigen Rückforderungsansprüche sind aufgrund einer Verjährung nicht mehr durchsetzbar?
Einfach gesagt, ist eine Rückforderung von etwaigen Bearbeitungsentgelten gegenüber den darlehensgebenden Banken durchsetzbar, wenn das entsprechende Entgelt im Jahr 2014 oder später gezahlt wurde. Vor diesem Zeitraum entrichtete Bearbeitungsentgelte sind bereits verjährt, es sei denn, es wurden rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet.
V. Handlungsempfehlung für Darlehensnehmer
Darlehensnehmer sollten in jedem Einzelfall genau prüfen lassen, ob von ihrer Bank einschlägige Bearbeitungs- oder Wertermittlungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erhoben wurden und ggf. bestehende Rückforderungsansprüche auf Grundlage der geltenden Verjährungsvorschriften noch durchsetzbar sind.
Es steht zu vermuten, dass die Kreditinstitute nach der Rechtssprechungsänderung für Bearbeitungsentgelte bei Verbraucherdarlehen im Jahre 2014 die nunmehr vollzogene Ausdehnung auf Unternehmerdarlehen bereits antizipiert hatten und seither den Versuch unternommen haben, ihre Bearbeitungsentgelte im Wege einer sog. Individualvereinbarung (statt durch AGB) auszuhandeln. Ein individuelles Aushandeln der Entgeltklausel hätte ggf. zur Konsequenz, dass die neue BGH-Rechtsprechung von vornherein nicht zur Anwendung kommen würde, so dass sich mit Rückforderungsansprüchen konfrontierte Banken wohl regelmäßig zur Verteidigung ihres Gebührenaufkommens auf diesen Umstand (Individualvereinbarung) berufen werden.
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Wir beraten Sie gerne über die Anwendbarkeit der dargestellten neuen BGH-Rechtsprechung auf Ihre persönliche Finanzierung und vertreten Sie gegenüber der finanzierenden Bank bei der Durchsetzung von bestehenden Rückzahlungsansprüchen.