Mit Beschluss vom 25. März 2021 (2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20) erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (nachfolgend abgekürzt „MietenWoG Bln“) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig.
Das MietenWoG Bln (umgangssprachlich auch „Mietendeckel“ genannt) trat am 23. Februar 2020 in Kraft. Seitdem waren die Mieten von ca. 1,5 Millionen vor 2014 erbauten Wohnungen in Berlin auf dem Stand vom 18. Juli 2019 eingefroren. Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Land Berlin mit dem Erlass des MietenWoG Bln jedoch seine Gesetzgebungskompetenz überschritten. Denn die Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum seien als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gefallen. Da der Bund mit den §§ 556 bis 561 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Miethöhe für den frei finanzierten Wohnraum abschließend Gebrauch gemacht habe, sei das Land Berlin aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts zur Regelung des Mietpreisrechts von vornherein nicht befugt gewesen (Art. 72 Abs. 1 GG). Das MietenWoG Bln sei somit formell verfassungswidrig und von Anfang an als unwirksam anzusehen.
Welche rechtlichen Konsequenzen kommen auf Vermieter und Mieter zu?
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zur Folge, dass die Vermieter nun einerseits wieder die vereinbarte höhere Miete und andererseits ggf. auch eine Nachzahlung der Differenzbeträge von den Mietern verlangen können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zwischen den Parteien eine zulässige Miete im Zeitraum zwischen dem 18. Juni 2019 und dem 22. Februar 2020 wirksam vereinbart wurde, diese jedoch mit Inkrafttreten der zweiten Stufe des Mietendeckels am 23. November 2020 abgesenkt wurde.
Ein Nachzahlungsanspruch steht dem Vermieter insbesondere zu, wenn er auf einen Teil der Miete unter Bedingung der Wirksamkeit des MietenWoG Bln verzichtet. Dies dürfte grundsätzlich auch für vereinbarte „Schattenmieten“ gelten. Eine „Schattenmiete“ ist eine Miete, die vorerst nicht zu zahlen war, bei der aber für den Fall der Nichtigkeit des MietenWoG Bln gleichzeitig vereinbart wurde, dass die Differenzbeträge zwischen der nach dem MietenWoG Bln zulässigen Miete und der vertraglich vereinbarten Miete von dem Mieter nachzuzahlen sind. In der juristischen Fachliteratur werden solche Vereinbarungen jedoch vereinzelt als Mieterhöhungen angesehen, deren Wirksamkeit mithin von der Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für Mieterhöhungsbegehren abhängig sei (§ 557 Abs. 4 BGB). Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Eilbeschluss (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2020 - 1 BvQ 15/20) angedeutet, dass Vermieter nicht daran gehindert gewesen seien, „sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes oder Teilen desselben bei Neuvermietungen eine höhere Miete versprechen zu lassen“. Bislang haben die Zivilgerichte über diese Rechtsfrage aber noch nicht (rechtskräftig) entschieden, so dass vorerst Restzweifel an der rechtmäßigen Vereinbarung von „Schattenmieten“ bei Neu- oder Wiedervermietung bestehen bleiben und etwaige Nachzahlungsansprüche von Vermietern vor Gericht womöglich als unbegründet angesehen werden könnten. Ein Nachzahlungsanspruch des Vermieters besteht auch, wenn der Mieter sich für den Fall der Unwirksamkeit des MietenWoG Bln mit einer Mieterhöhung einverstanden erklärt hat. Anderseits dürfte dem Vermieter kein Nachzahlungsanspruch zustehen, wenn er die Miete allein aufgrund des „Mietendeckels“ – bedingungslos – gesenkt hat und für den Mieter keinerlei Anhaltspunkte
dafür ersichtlich waren, wonach er mit der Nachzahlung einer Differenzmiete hätte rechnen müssen.
Ferner bedeutet die Nichtigkeit des MietenWoG Bln für die Vermieter, dass sie seit Verkündung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts wieder Mieterhöhungen bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete oder Erhöhungen einer vereinbarten Index- oder Staffelmiete aussprechen können.
Welche Handlungsmöglichkeiten kommen für Vermieter und Mieter in Betracht?
Infolge der rückwirkenden Nichtigkeit des MietenWoG Bln können die Vermieter die Mieter zur Zahlung der Differenzbeträge unter Fristsetzung auffordern, sofern die Parteien eine zulässige Miethöhe oder Mieterhöhung vertraglich wirksam vereinbart hatten. Sollte der Mieter zur Nachzahlung der Differenzbeträge verpflichtet sein, diese jedoch nicht leisten wollen/können, kann der Vermieter bei Mietrückstand von mindestens zwei Monatsmieten gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB eine fristlose Kündigung aussprechen. Unabhängig von dieser Voraussetzung für die fristlose Kündigung, kann der Vermieter das Mietverhältnis gemäß § 573 BGB ordentlich kündigen, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete übersteigt und die Verzugsdauer mehr als einen Monat beträgt (BGH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12). Zudem kann er die vereinbarte Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Bei der Neuvermietung von Wohnungen sollte der Vermieter darauf achten, dass die zulässige Miete im Regelfall (Ausnahmen gelten gem. § 556f BGB z. B. für die erstmalige Nutzung und Vermietung von Neubauten u. die erstmalige Vermietung nach umfassender Modernisierung) höchstens 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete, die er dem (qualifizierten) Berliner Mietspiegel (§ 558d BGB) entnehmen kann, liegen darf (§ 556d BGB – „Mietpreisbremse“). Allerdings dürfte der Berliner Mietspiegel 2019 nur noch bis Ende Mai 2021 gelten (§ 558c Abs. 3 BGB).
Sofern eine Nachzahlungspflicht des Mieters besteht und sich die sofortige Nachzahlung der Differenzbeträge aus der vertraglichen Vereinbarung oder sonstigen Erklärungen der Parteien ergibt, wäre es für Mieter ratsam, die Differenzbeträge auch ohne vorherige Zahlungsaufforderung des Vermieters an diesen zu leisten. Kann festgestellt werden, dass die vereinbarte Miete die Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete überschreitet, kann der Mieter
das Verlangen des Vermieters auf Zahlung der höheren Miete oder auf Nachzahlung der Differenzbeträge ggf. zurückweisen. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung über die Miethöhe bzw. der Rechtmäßigkeit der Nachzahlungsforderung hat der Mieter die Möglichkeit, die vom Vermieter verlangten Differenzbeträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu leisten, um einerseits eine evtl. Rückzahlungsforderung geltend machen zu können und andererseits eine drohende fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) zu vermeiden.
Unabhängig von dem nunmehr als nichtig erklärten Mietendeckel gelten weiterhin die bundesgesetzlichen Regelungen zum Mietpreisrecht (§§ 556 bis 561 BGB), vor allem diejenigen zur „Mietpreisbremse“ (§§ 556d bis 556g BGB) sowie der örtliche Mietspiegel, sofern dieser nicht veraltet ist (§ 558c Abs. 3 BGB). Ob und in welcher Höhe eine Nachzahlungspflicht des Mieters besteht bzw. ob die Differenzbeträge rückwirkend gefordert werden können, bedarf einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls.
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