Der Deutsche Bundestag hat im Juni 2021 das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (nachstehend abgekürzt „DiRUG“) verabschiedet. Das DiRUG, welches vom Bundesrat gebilligt und im August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, enthält unter anderem Vorschriften zur Ermöglichung der Online-Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und bestimmter Online-Handelsregisteranmeldungen, welche am 1. August 2022 in Kraft treten werden. Über diese Neuregelungen soll nachfolgend ein einführender Überblick gegeben werden.
I. Gegenwärtige Rechtslage
Für die Gründung einer GmbH ist nach aktueller Rechtslage das körperliche Erscheinen der Gründungsgesellschafter und des/der Geschäftsführer/s oder deren bevollmächtigten Vertreter vor dem Notar notwendig. Ein physisches Präsenzverfahren kommt derzeit auch für sämtliche Handelsregisteranmeldungen zur Anwendung.
Die wirksame Errichtung einer GmbH erfordert zunächst den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages (Satzung) in notarieller Form und mithin dessen notarielle Beurkundung. Nach dem gegenwärtigen Recht ist für eine wirksame Beurkundung das Gründungsprotokoll (die Satzung ist i.d.R. eine Anlage zu dieser Mantelurkunde) in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorzulesen, von diesen zu genehmigen und eigenhändig zu unterschreiben.
Zur Entstehung der GmbH als juristische Person ist ferner die Eintragung in das Handelsregister erforderlich, was eine entsprechende Anmeldung durch sämtliche Geschäftsführer voraussetzt. Diese erstmalige und alle nachfolgenden Handelsregisteranmeldungen der GmbH (z.B. bei Satzungsänderungen und Geschäftsführerwechseln) bedürfen zu ihrer Wirksamkeit stets der öffentlichen Beglaubigung, wofür nach dem jetzigen Beurkundungsrecht die Vollziehung oder Anerkennung der Unterschrift/en in Gegenwart des Notars vorgeschrieben ist. Selbige Voraussetzung besteht derzeit auch für Handelsregisteranmeldungen der sonstigen im Handelsregister eingetragenen Einzelkaufleute (e.K.), Handelsgesellschaften (AG, KGaA, KG und oHG) und Zweigniederlassungen.
Als Alternative zu diesen traditionellen Präsenzverfahren ermöglicht das DiRUG im Rahmen und unter den Voraussetzungen von neu geschaffenen Online-Verfahren künftig erstmals die Durchführung von notariellen Beurkundungen und Beglaubigungen ohne eine körperliche Anwesenheit der Beteiligten vor dem Notar. Durch die zwingende Mitwirkung von Notaren an den neuen digitalen Verfahrensformen soll gewährleistet werden, dass diese als „Wächter der Privatautonomie“ auch in Zukunft ihre besondere Betreuungs-, Beratungs- und Gewährungsfunktion im Gefüge der vorsorgenden Rechtspflege erfüllen können.
II. Online-Gründung ab 1. August 2022 zulässig
Abweichend von der zuvor beschriebenen aktuellen Rechtslage werden mit dem Inkrafttreten des DiRUG ab dem 1. August 2022 bestimmte GmbH-Gründungen im Wege eines notariellen Online-Beurkundungsverfahrens vollständig digital zulässig und möglich sein, so dass eine körperliche Anwesenheit der Beteiligten vor dem beurkundenden Notar nicht mehr erforderlich sein wird.
1. Erfasste Gesellschaften (nur GmbHs)
Die Online-Beurkundung wird vorerst auf die Gründung einer GmbH (inkl. ihrer Sonderform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)) beschränkt bleiben. Eine Online-Gründung anderer Kapitalgesellschaften (AG, KGaA) ist dagegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen.
2. Beschränkung auf GmbH-Gründungen
Das notarielle Online-Beurkundungsverfahren ist ausschließlich für die Gründung einer GmbH (d.h. notarielle Beurkundung der Satzung sowie im Rahmen der Gründung gefasste Gesellschafterbeschlüsse) eröffnet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass spätere beurkundungsbedürftige Maßnahmen innerhalb der GmbH (z.B. Satzungsänderung, Formwechsel, Verschmelzung und Auflösung) nach wie vor im herkömmlichen Präsenzverfahren beurkundet werden müssen. Selbiges gilt für die Verfügung über Geschäftsanteile an einer GmbH (z.B. Veräußerung und Verpfändung von Geschäftsanteilen).
3. Beschränkung auf Bargründungen
Die Zulässigkeit des Online-Beurkundungsverfahrens ist zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass dieses nur sog. Bargründungen erfasst, bei denen also die Nennbeträge der Geschäftsanteile aller Gründungsgesellschafter ausschließlich in Geld (d.h. ohne Sacheinlagen) zu erbringen sind. Sachgründungen sind dagegen vom Anwendungsbereich des notariellen Online-Gründungsverfahrens ausgeschlossen.
4. Online-Musterprotokollgründung
Für die Online-Gründung einer GmbH kann außerdem auf zwei zusätzliche vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Musterprotokolle (Musterprotokolle für die Gründung einer Einpersonen- oder Mehrpersonengesellschaft) zurückgegriffen werden. Im Unterschied zu den bereits existierenden Musterprotokollen für das (kostenprivilegierte) vereinfachte Gründungsverfahren besteht für die (nicht kostenprivilegierte) Online-Musterprotokollgründung keine Begrenzung auf drei Gründungsgesellschafter und einen Geschäftsführer. Ferner existiert eine abstrakte Vertretungsregelung, wonach bei Bestellung eines Geschäftsführers dieser alleine vertritt und bei Bestellung von mehreren Geschäftsführern die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten wird.
5. Online-Handelsregisteranmeldung
Die für die wirksame Gründung einer GmbH zwingend erforderliche Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann künftig auf Grundlage einer Handelsregisteranmeldung sämtlicher Geschäftführer unter Verwendung eines notariellen Online-Beglaubigungsverfahrens mittels Videokommunikation vorgenommen werden (siehe hierzu Punkt III.).
6. Einzelheiten des Online-Beurkundungsverfahrens
a) Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer
Die Online-Beurkundung erfolgt im Wege einer Echtzeit-Videokonferenz zwischen Notar und Beteiligten. Die Bundesnotarkammer wird dafür ein sicheres, manipulationsresistentes und zuverlässiges Videokommunikationssystem einrichten und betreiben. Eine Online-Beurkundung über andere Videokommunikationssysteme ist beurkundungsrechtlich nicht zulässig.
b) Identifizierung der Beteiligten
Voraussetzung für die Nutzung des Videokommunikationssystems ist die sichere Identifizierung der Beteiligten über ein zweistufiges Verfahren.
In einem ersten Schritt erfolgt eine elektronische Identifizierung durch einen elektronischen Identitätsnachweis (eID), welcher durch einen deutschen Personalsauweis mit eID-Funktion (für deutsche Staatsangehörige), eine eID-Karte (für Staatsangehörige anderer EU/EWR-Mitgliedstaaten) sowie einen elektronischen Aufenthaltstitel mit eID-Funktion (für Angehörige von Drittstaaten) erbracht werden kann. Deutsche oder ausländische Reisepässe oder Ausweise von Drittstaaten (z.B. Schweiz, Vereinigtes Königreich oder USA) sind hiernach keine tauglichen Identifizierungsmittel im Sinne der ersten Identifizierungsstufe.
Alternativ können sich Beteiligte auch mittels eines von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten elektronischen Identifizierungsmittels ausweisen, wenn dieses im Rahmen eines entsprechenden Notifizierungsverfahrens des jeweiligen Mitgliedstaates für die Zwecke der grenzüberschreitenden Authentifizierung nach der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) zertifiziert und anerkannt worden ist und dem höchsten Sicherheitsniveau („hoch“) der eIDAS-VO entspricht.
In einem zweiten Schritt hat der Notar das Erscheinungsbild eines jeden Beteiligten mit dessen elektronisch übermitteltem Lichtbild abzugleichen, es sei denn, der jeweilige Beteiligte ist dem Notar persönlich bekannt. Zuvor wird das Lichtbild aus dem Chip eines NFC-fähigen Personalausweises oder Reisepasses ausgelesen. Der Auslesevorgang erfolgt technisch durch das Videokommunikationssystem (siehe lit. a), wobei die Beteiligten ein marktübliches Smartphone mit einer von der Bundesnotarkammer für das Verfahren kostenlos bereitgestellten App als Auslesegerät verwenden können. Das sogenannte Video-Ident-Verfahren, bei dem ein Ausweispapier zur Übermittlung eines dort aufgebrachten Lichtbildes per Webcam gefilmt wird, kommt zur Identifizierung dagegen nicht in Betracht.
c) Aufnahme einer elektronischen Niederschrift
Im Rahmen der Beurkundung über die mittels Videokommunikation durchgeführte Verhandlung erstellt der Notar anstelle einer Urkunde in Papierform wie im traditionellen Präsenzverfahren eine elektronische Niederschrift über die Verhandlung. Hierbei handelt es sich um ein rein elektronisches Dokument und nicht etwa um ein mit EDV-Unterstützung hergestelltes Papierdokument.
Im Online-Beurkundungsverfahren treffen den Notar dieselben Pflichten wie im Präsenzverfahren, insbesondere die Pflicht zur Verfahrensleitung einschließlich des Vorlesens der elektronischen Niederschrift, zur Identifizierung der Beteiligten und zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit. Es gelten dabei auch die sonstigen Vorschriften über die Niederschrift, einschließlich der Vorschriften über Prüfungs- und Belehrungspflichten.
Die elektronische Niederschrift soll den Beteiligten auf Verlangen vor der Genehmigung auch elektronisch zur Durchsicht übermittelt werden.
d) Elektronische Unterzeichnung der Gründungsurkunde und der Gesellschafterliste
Da ein eigenhändiges Unterzeichnen im Rahmen des Online-Beurkundungsverfahrens nicht in Betracht kommt, ist die elektronische Niederschrift mit den qualifizierten elektronischen Signaturen des Notars und aller sonstigen Personen zu versehen, welche an der Beukundung mitwirken und deren Unterschriften nach dem Beurkundungsgesetz erforderlich sind. Die Erzeugung der qualifizierten elektronischen (Fern-)Signatur/en und das Versehen der elektronischen Urkunde mit dieser/diesen Signatur/en sollen dabei wiederum über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer erfolgen (siehe lit. a). Der Notar wird die elektronische Niederschrift mittels seiner Signaturkarte selbst signieren.
Die anlässlich der GmbH-Gründung zwingend zum Handelsregister einzureichende Liste der Gesellschafter kann von dem/den Geschäftsführer/n künftig ebenfalls mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, so dass auch die (Fremd-)Geschäftsführer nicht körperlich vor dem Notar erscheinen müssen.
e) Möglichkeit einer „gemischten Beurkundung“
Zulässig wird außerdem die sog. gemischte Beurkundung sein, wobei ein Teil der Beteiligten an der Beurkundung digital per Videokonferenz teilnimmt, während die weiteren Beteiligten beim Notar körperlich anwesend sind. In diesem Fall ist zusätzlich zu der elektronischen Niederschrift mit den körperlich anwesenden Beteiligten eine inhaltsgleiche Niederschrift in Papierform nach den bisherigen Regelungen des Beurkundungsrechts aufzunehmen. Elektronische und körperliche Niederschrift müssen den Beteiligten vom Notar jedoch insgesamt nur einmal vorgelesen werden.
III. Online-Handelsregisteranmeldungen ab 1. August 2022 zulässig
Das DiRUG eröffnet ab dem 1. August 2022 außerdem die Möglichkeit, bestimmte Handelsregisteranmeldungen vollständig online mittels Videokommunikation vorzunehmen, so dass auch hierbei eine körperliche Anwesenheit der anmeldenden Personen (z.B. GmbH-Geschäftsführer) vor dem beglaubigenden Notar nicht mehr erforderlich sein wird. Ein notarielles Online-Beglaubigungsverfahren wird es dabei ermöglichen, in elektronischer Form abgefasste Erklärungen öffentlich zu beglaubigen.
1. Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der Online-Beglaubigung wird vorerst auf Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister beschränkt sein, so dass Anmeldungen zur Eintragung in andere öffentliche Register (Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister) auch weiterhin dem traditionellen notariellen Präsenzverfahren unterworfen bleiben.
Umfasst sind dabei nur Handelsregisteranmeldungen durch (i) Einzelkaufleuten (e.K.), (ii) für Kapitalgesellschaften (beschränkt auf GmbH, AG und KGaA) und (iii) für Zweigniederlassungen von inländischen Kapitalgesellschaften (wie ii) oder von ausländischen Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines anderen EU-Mitglied- oder EWR-Vertragsstaates unterliegen.
Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister für Personenhandelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften [KG] und offene Handelsgesellschaften [oHG]) können damit nicht im Wege einer notariellen Online-Beglaubigung vorgenommen werden, womit die Vorschriften über die Handelsregisteranmeldung einer GmbH & Co. KG (KG) und deren Komplementärin (GmbH) künftig auseinanderfallen werden.
Nachdem im DiRUG-Regierungsentwurf noch eine Öffnung des notariellen Online-Beglaubigungsverfahrens auch für Genossenschaften vorgesehen war, erfolgte auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages schließlich eine Streichung der Einbeziehung von Genossenschaften in den Anwendungsbereich dieses Verfahrens.
2. Einzelheiten des Online-Beglaubigungsverfahrens
Bei der Online-Beglaubigung handelt sich rechtstechnisch um die öffentliche Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur. Verfahrenstechnisch entspricht das Prozedere weitgehend dem zuvor skizzierten notariellen Online-Beurkundungsverfahren. Auch für das Online-Beglaubigungsverfahren ist zwingend das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer zu verwenden und die darin vorgesehene zweistufige Identifizierung vorzunehmen (siehe hierzu bereits Punkt II. 6.).
Nach Aufforderung durch den Notar wird ein elektronisches Dokument mit der zu beglaubigenden Erklärung durch den/die Beteiligten mit einer vom System zugewiesenen qualifizierten elektronischen Signatur versehen, welche dann mittels Videokommunikation anerkannt wird. Die Online-Beglaubigung erfolgt folglich aufgrund einer Anerkennung der Signatur durch den/die Beteiligten. Es handelt sich wiederum um eine Fernsignatur unter Verwendung des Systems der Bundesnotarkammer (Zugang via kostenlose App der BNotK), so dass die Beteiligten weder eine physische Signaturkarte noch die zum Auslesen einer solchen Karte erforderliche Soft- oder Hardware benötigen. Zur Online-Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur erstellt der Notar ein einfaches elektronisches Zeugnis.
IV. Kosten der Beurkundung und Beglaubigung im notariellen Online-Verfahren
Neben den im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) festgelegten Notargebühren für die Beurkundung der Gründungsurkunde bzw. die Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen entsteht eine Auslagenpauschale für die Inanspruchnahme des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer. Diese beträgt EUR 25,00 für das Beurkundungsverfahren und EUR 8,00 für das Beglaubigungsverfahren. Erfolgt die Beglaubigung mehrerer qualifizierter elektronischer Signaturen in einem einzigen Beglaubigungsvermerk, entsteht die vorgenannte Auslagenpauschale jedoch nur einmal.
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DSC Legal ist eine Notar- und Rechtsanwaltskanzlei am Pariser Platz in Berlin.
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Die Beratung zu Fragestellungen im Bereich des Gesellschaftsrechts gehört zu den Kerngebieten unserer anwaltlichen Praxis.
Ab dem 1. August 2022 stehen unsere Notare auch für Online-Beurkundungen von GmbH-Gründungen und Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen (bzgl. Einzelkaufleuten, GmbH, AG, KGaA und Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften) im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Verfügung.